Geschichte der
Evangelischen Gemeinde Köln
Für die Evangelische Kirche war die Freie Reichsstadt Köln über Jahrhunderte ein gefährliches Pflaster. Nicht nur wurden hier 1520 die Schriften Martin Luthers verbrannt. 1529 brannten auch Menschen, als Peter von Fliesteden und der bergische Prediger Adolf Clarenbach auf Melaten zu Märtyrern ihres evangelischen Glaubens gemacht wurden.
Ausnahmen bestätigen die Regel. So sind zwei Reformationsversuche aus Köln überliefert: Einmal unter dem evangelisch gesonnenen Erzbischof Hermann V. von Wied. Später unter Gerhard von Truchsess.
Trotzdem wurden bereits Ende des 16. Jahrhunderts vier evangelische Gemeinden gegründet, die sich Jahrhunderts später zur Evangelischen Gemeinde Köln zusammenschließen sollten: die niederländisch-reformierte (Konsistorialprotokolle ab 1571 erhalten), die französisch-reformierte (Namen einiger Prediger aus der Zeit von 1576 bis 1605 bekannt), die deutsch-reformierte (wohl ab 1572) und die deutsch-lutherische Gemeinde (nachweisbar ab 1575).
Teilweise wurden die Gemeindeglieder von Pfarrern aus Mülheim seelsorgerisch betreut. 1586-1587 war Philipp Nicolai im Geheimen evangelischer Pfarrer in Köln.
Wie darf man sich das evangelische Leben in der freien Reichsstadt vorstellen? Evangelische Gottesdienste durften auf städtischem Boden nicht gefeiert werden. Ab dem Jahr 1583 wurde den Protestanten vom Rat der Stadt sogar das Begräbnis innerhalb der Stadtmauern untersagt. Folgerichtig liegt dann der älteste evangelische Friedhof vor den Toren des damaligen Stadtgebiets: der sogenannte Geusenfriedhof, der heute neben der Universität zu finden ist, damals aber etwa 1,5 Kilometer vor der Stadtmauer war. Dieser Friedhof wurde von Reformierten und Lutheranern gemeinschaftlich angekauft, genutzt und finanziert.
An dieser Ausgrenzung der Evangelischen änderte sich über Jahrhunderte nichts, da konnte nicht einmal die Staatsgewalt etwas ausrichten. Als etwa Kaiser Joseph II. im Jahre 1788 den Protestanten das Privileg einräumte, ein "eigenes Beth-, Schul- und Predigerhaus" zu bauen, wurde dies durch die Kölner Katholiken verhindert. Dies änderte sich erst mit dem Einmarsch der französischen Revolutionstruppen 1794.
Im Zuge der Säkularisation während der französischen Besatzung des Rheinlandes wurde den Protestanten das Recht der freien Religionsausübung zugestanden.
Am 17. November 1797 erhielten die Protestanten das volle Bürgerrecht. In den "Organischen Artikeln", die April 1802 in Kraft traten, wurde den Kölner Evangelischen - damals bestehend aus etwa 650 reformierten und 160 lutherischen Christen - das Recht zur freien Kulturausübung zugesprochen. Von diesem Recht machten die Protestanten umgehend Gebrauch: Eine Gedenktafel in der Schildergasse 96 erinnert an den ersten öffentlichen Gottesdienst im Haus der Brauerzunft am Sonntag Rogate, 23. Mai 1802, den lutherische und reformierte Protestanten gemeinsam feierten. In der Folge wurde im Wechsel der Gottesdienst von lutherischen und reformierten Pfarrern gehalten. Erster gewählter lutherischer Pfarrer der Gemeinde war 1803 Christian Gottlieb Bruch, der Großvater des Komponisten Max Bruch, Friedrich Wilsing war erster reformierter Pfarrer.
Am 7. Juli 1802, wurde den Protestanten die Antoniterkirche und die angrenzenden Gebäude zugesprochen.Die Renovierung der Kirche unter der Leitung von Ferdinand Franz Wallraf dauerte drei Jahre. Im Zuge der Umwidmung wurden sie den Bedürfnissen eines protestantischen Gottesdienstes umgestaltet. Am Sonntag Rogate, 19. Mai 1805, konnte die Evangelische Gemeinde Köln dann ihren ersten genehmigten öffentlichen Gottesdienst in einer Kirche feiern.
Nachdem Köln 1815 preußisch wurde, gehörten die Gemeinden zur Evangelischen Kirche in Preußen beziehungsweise deren rheinischer Provinzialkirche. 1826 vereinigten sich die Kölner Gemeinden offiziell zur Evangelischen Gemeinde Köln.
Die folgenden Jahrzehnte sind geprägt von einem wachsenden Selbstbewusstsein der evangelischen Kölner. Aus einer ehemals unterdrückten Minderheit rekrutierte sich in Köln zunehmend die wirtschaftlich starke Oberschicht. Als die Evangelische Gemeinde Köln wuchs, wurde die Antoniterkirche zu klein, weshalb die Evangelische Gemeinde über einen Neubau nachdachte. Auch Friedrich Wilhelm IV. (Preußen) schaltete sich in die Debatte ein. Resultat war die 1860 eingeweihte Trinitatiskirche in der Nähe des Heumarkts. Diese ist eine repräsentative Kirche, die als protestantisches Gegenstück zu den großen romanischen Kirchen und dem kurz vor seiner Vollendung stehenden Dom geplant wurde. Diese ist heute als Kulturkirche in Nutzung des Evangelischen Kirchenverbands Köln und Region und keine Gemeindekirche mehr.
Als nächster Neubau folgte die Christuskirche 1894 im Zuge des Ausbaus der Kölner Neustadt um die Kölner Ringe, die unter anderem Predigtstätte von Carl Jatho war.
Die Lutherkirche wurde am Sonntag Rogate, 20. Mai, 1906 eingeweiht. Professor J. Vollmer entwarf sie im Stil der Renaissance mit Anklängen ans Barock. Das Material der Außenflächen besteht aus rheinischem Tuffstein und Pfälzer Sandstein, der Sockel aus Muschelkalkstein.
1913 wurde die Kreuzkirche in der Machabäerstraße eingeweiht, die heute als Jugendherberge dient.
1928 erhielt die Evangelische Gemeinde im Tausch mit St. Pantaleon (Köln) das verfallene Gelände des ehemaligen Kartäuserklosters inklusive der Kartäuerkirche, wo dann unter anderem der "rote Pfarrer" Georg Fritze wirkte. Das Presbyterium der Evangelischen Gemeinde Köln erlaubte hier im Jahr 1927 mit Ina Gschlössl erstmals einer Frau, ein Vikariat zu beginnen - wenngleich dies noch im gleichen Jahr wieder revidiert wurde.1964 wurde das Jeremiahaus in der Mozartstraße eingeweiht, das mittlerweile aufgegeben wurde.
Keimzelle der Thomaskirche am Neusser Wall/Lentstraße ist ein Gemeindehaus mit anschließendem Pfarrhaus, das 1968 errichtet wurde. Die Kirche selbst wurde erst 1987 fertiggestellt.
Die Evangelische Gemeinde Köln im Nationalsozialismus
Wie die Mehrzahl der Protestanten Deutschlands begrüßte auch die Evangelische Gemeinde Köln (damals unter dem Namen "Alt-Köln") die Nationalsozialisten. Nach den Kirchenwahlen von 1933 gaben im Presbyterium der Evangelischen Gemeinde Köln sowie in fast allen anderen Gemeinden im Kölner Raum die Deutschen Christen (DC) den Ton an. Bereits am 30. April 1933 war der Kölner Gürzenich Veranstaltungsort einer Gautagung der Deutschen Christen. Gauleiter Kölns war Heinz Lauterbach. Schnell wurde die HJ-Uniform anerkannte Konfirmationstracht.
Als Ausnahme agierte der Sozialist Pfarrer Georg Fritze, der zwar dafür eintrat, dass die Kirche sich an sich politisch neutral verhalten solle, selbst jedoch als SPD-Mitglied in der Öffentlichkeit auftrat und auch gegen nationalsozialistische Einmischung in Angelegenheiten der Kirche kämpfte. 1938 schließlich wurde er aus seinem Pfarramt an der Kartäuserkirche entfernt, weil er sich weigerte, einen Treueeid auf den "Führer" zu leisten, den zwar nicht die Partei, wohl aber die Kirchenleitung verlangte. Es hat zwar länger gedauert, doch heute erinnert man sich gerne an den streitbaren Protestanten.An seiner Wirkungsstätte, der Kartäuserkirche Köln, wurde 1981 im Innenhof des Kreuzganges eine Gedenktafel angebracht, die an Fritze erinnert. Zudem befindet sich am Kölner Rathausturm unter anderem eine Skulptur von Georg Fritze, die von der Evangelischen Gemeinde Köln gestiftet wurde. In Erinnerung an den Pfarrer hat der Evangelische Kirchenkreis Köln-Mitte 1981 die "Pfarrer-Georg-Fritze-Gedächtnisgabe" ins Leben gerufen, die seitdem alle zwei Jahre Menschen und Gruppen auszeichnet, die sich für die Opfer von Diktatur und Gewalt einsetzen.
Mehr Informationen zu Georg Fritze
Das Politische Nachtgebet
Ab Oktober 1968 beherbergte die Antoniterkirche das "Politische Nachtgebet". Die Idee war beim Essener Katholikentag im September 1968 entstanden . Ein Ökumenischer Arbeitskreis Köln - bestehend aus Dorothee Sölle, Fulbert Steffensky, Marie Veit, Heinrich Böll, Egbert Höflich und anderen - wollte hier das Experiment wagen und, so Sölle - "den Satz, daß Glaube und Politik untrennbar sind, in die Praxis umsetzen". Die Veranstalter setzten den Gottesdienst erst auf 23 Uhr an, wodurch die Veranstaltung ihren Namen erhielt: "Politisches Nachtgebet".
Die Mitwirkenden selbst wollten ihr Projekt weiterführen und fanden schließlich in der Antoniterkirche Köln eine Heimat. Im Oktober 1968 fand das erste Politische Nachtgebet in der Antoniterkirche Köln statt - mit über 1000 Menschen.
Mehr Informationen zu Dorothee Sölle und dem Politischen Nachtgebet